Hitler, Teil III: Propaganda-Feldversuch für die Reichswehr

August 19th, 2019

Am 19. August 1919 trifft der Gefreite der bayerischen Armee Adolf Hitler als Teil einer Propaganda-Einheit der Reichswehr im Kriegsheimkehrer-Durchgangslager (Dulag) in Lechfeld bei Augsburg ein.

Nach Fehlschlag der Aufklärungskurse zuvor soll mit einer “Probedienstleistung” (Bataillons-Befehl vom 13.8.) der Versuch der propagandistischen Beeinflussung unternommen werden, “unzuverlässige” (also revolutionär beeinflusste) Truppen sollen durch völkische Ansprache wieder “zuverlässig” gemacht werden. Die offen antisemitischen Themen sollen am besten nur nebenbei auftauchen, da es seit Juni Versuche des bayerischen Innenministeriums gibt, “aufreizende Sprache gegen die jüdische Bevölkerung” zu unterbinden. (Siehe auch: Antisemitismus in der Reichswehr.) Hitler greift in diesem Sinne in die Diskussion nach Rudolf Beyschlags Vortrag “Wer trägt die Schuld am Weltkriege?” ein, spricht selbst über Versailles (“Friedensbedingungen und Wiederaufbau”) und stellt “Wirtschafts- und sozialpolitische Schlagworte” wie z.B. ‘Syndikalismus’ vor.

Statt der bayerischen Kriegsheimkehrer und Wachmannschaften wird aber nur eine Reichswehreinheit bespielt: die 6. Kompanie unter Oberleutnant Walther Bendt, vorher schon beim Einmarsch in München Anfang Mai dabei und entsprechend weitgehend auf Linie. Für diese etwa 150 Soldaten, die während der Vorträge teilweise einschliefen, sind es zu viele Propagandisten (obwohl nur 25 statt der geplanten 50), fürs ganze Lager jedoch zu wenig – sie können sich dort auch nur unbehelligt bewegen, wenn sie nicht als (besser bezahlte) Reichswehr oder Freikorps zu erkennen sind.

Das Lager gilt als “USP-verseucht”, besonders die Kriegsheimkehrer aus dem Osten sind der bolschewistischen Beeinflussung verdächtig, vor allem aber die 3000 Mann der Wacheinheiten. Soldstreiks aus finanziellen Gründen werden als Beleg für die unzuverlässige Gesinnung genommen.

Die antisemitischen Mitwirkenden des Aufklärungskommandos (unter ihnen NSDAP-Mitglied der ersten Stunde Hans Knodn, der “in allen Vorträgen eine Lücke” sah, “die nur durch eingehende Behandlung der Judenfrage ausgefüllt werden kann”), loben Hitlers “Fanatismus” und jubeln ihn sogleich “geborenen Volksredner” hoch, weil er wie erwünscht die “Judenfrage” am Rande thematisiert und in informellen Nachgesprächen vertieft, alle anderen halten ihn für kaum erwähnenswert. Für Folgeeinsätze in Kempten, die dann aber so gar nicht mehr stattfinden, wird Beyschlag und nicht Hitler vorgesehen.

Die Reichswehr setzte in der Folge kurzzeitig auf “verdeckte Vertrauensleute” zur Beeinflussung der Truppen im Lager, brach aber auch diese Versuche ab – das Dulag Lechfeld galt bis zu seiner Auflösung Anfang 1920 als zu “bolschewistisch verseucht” um dort noch weitere Truppen unterzubringen.

Hitler war nun als Gefreiter im Weltkrieg, in der Räterepublik, im Untersuchungsausschuss zur konterrevolutionären Säuberung seiner Truppe, bei der Weiterbildung zum Reichswehr-Propagandisten und in seinem ersten Propaganda-Einsatz in Lechfeld gewesen und stand zwar zunächst ohne Aufgabe da, hatte sich aber weiter oben nachdrücklich empfohlen (er war nun einer von 70 Propagandisten auf Mayrs Einsatzliste), sich mit den wichtigsten Propagandaschriften der Zeit vertraut machen und wichtige Verbindungen aufbauen können: “Denn es waren nicht in erster Linie seine Kameraden aus dem 16. Reserve Infanterie-Regiment oder dem 2. Infanterie-Regiment, sondern vor allem jene aus diesem Kommando, die, wie Hitler in ‘Mein Kampf’ schrieb, ‘später mit den Grundstock der neuen Bewegung zu bilden begannen’.” (Plöckinger 2013:139)

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Hitler, Teil I: Säuberung von der Revolution – zu Hitlers Werdegang bis zum Ende der Räterepublik und seiner Tätigkeit im konterrevolutionären Untersuchungsausschuss seines Regiments
Hitler, Teil II: Umschulung auf Konterrevolution – beim Reichswehr-Weiterbildungskurs für Agitation und Propaganda
Hitler Begins, Teil IV: als Aufbauhelfer zur D.A.P. (September 1919)
Hitler Teil V: “Lesestoff” und geförderter Aktivismus (November 1919)
Hitler Begins, Teil VI: Partei-Relaunch (24.2.1920)

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